Liberale Agenda 2024
1. Mai 2017
FDP-Grossratsfraktion des Kantons Aargau
«Liberale Agenda 2024» für die Zukunft des Kantons Aargau
Einleitung
Der Kanton Aargau ist ein beliebter Wohn- und Arbeitskanton. Die Wirtschaft ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Entwicklung unseres Kantons. Natur und Umwelt tragen zur hohen Lebensqualität bei. Diese Grundlagen sind unter Druck, denn die Finanzen des Kantons sind angespannt. Auch in den kommenden Jahren drohen Defizite in der Höhe von jährlich über 200 Millionen Franken. Ohne einschneidende Massnahmen kann der Staatshaushalt nicht nachhaltig saniert werden. Zudem besteht keine Flexibilität für zukunftsgerichtete Investi-tionen, die die Attraktivität und die Wettbewerbsfähigkeit des Kantons Aargau sichern.
Um diesen Entwicklungen entgegenzutreten, hat die freisinnige Fraktion die «Liberale Agenda 2024» erarbeitet. Sie beruht auf den Positionspapieren der FDP.Die Liberalen Aargau. Als Massnahmenkonzept soll sie den Kanton Aargau in den nächsten beiden Legislaturen 2017–2024 stärken und modernisieren. Der Staatshaushalt ist auf eine Grundlage zu stellen, die Einnahmen und Ausgaben ins Lot bringt und gleichzeitig Investitionen in die Zukunft zulässt.
Strategische Leitlinien
Die freisinnige Fraktion stellt für die Sanierung und Weiterentwicklung des Kantons folgende strategische Leitlinien in den Vordergrund:
- Nachhaltige Investitionen für die Menschen im Aargau
Investitionen zur Weiterentwicklung des Kantons im Interesse der Bevölkerung wie auch die Stärkung des Wirtschaftsstandorts Aargau sind von zentraler Bedeutung. Nur so ist sichergestellt, dass der Aargau auch in Zukunft zu den attraktivsten Kantonen hinsichtlich Lebensqualität und Infrastruktur gehört.
- Attraktiver Unternehmerkanton
Der Aargau ist für KMU, Weltkonzerne und Zukunftsbranchen attraktiv und profitiert mit einer stark diversifizierten Wirtschaftsstruktur von wenig konjunkturabhängigen Steuereinnahmen. Unternehmensansiedlungen begünstigt er über eine konsequent wirtschaftsfreundliche Politik.
- Ausgeglichener Kantonshaushalt
Für eine nachhaltige Entwicklung muss der Kantonshaushalt auf die Dauer ausgeglichen sein. Das Ausgabenwachstum darf das Wirtschaftswachstum nicht übersteigen. Gebühren sind nach dem Verursacher- und Kostendeckungsprinzip zu gestalten. Dabei dürfen weder die finanzielle Belastung für die Gesamtbevölkerung noch die Staatsverschuldung steigen. Aus reinen Entlastungsgründen dürfen keine Kosten vom Kanton auf die Gemeinden verlagert werden.
- Schlanker, effizienter Staat
Der Staat mit motivierten Mitarbeitenden verwendet die Mittel effizient und konzentriert sich auf seine hoheitlichen Aufgaben. Aufgaben und Unternehmen, die nicht zu den Kernaufgaben des Staates gehören, werden abgegeben. Verbundaufgaben zwischen den Staatsebenen werden vermieden. Das Staatswesen ist miliztauglich und bürgerfreundlich. Vorschriften, die zu einer kostentreibenden Professionalisierung führen, werden abgelehnt. Die Chancen der Digitalisierung werden genutzt, um Massenaufgaben effizient abzuwickeln und die zunehmende Menge von staatlichen Aufgaben zu kompensieren.
Handlungsfelder
Von den strategischen Leitlinien lassen sich drei Handlungsfelder ableiten, in denen die Massnahmen der «Liberalen Agenda 2024» konkretisiert werden:
Handlungsfeld 1: Fokussierung auf Kernaufgaben
a) Verzicht auf Aufgaben
- Konsequenter Verzicht: Der Staat konzentriert sich auf die verfassungsrechtlich vorgegebenen öffentlichen Aufgaben, deshalb werden die Leistungen laufend überprüft.
- Auslagerung: Aufgaben, die Private in finanzieller und qualitativer Hinsicht mindestens gleich gut erledigen können, werden konsequent an diese übertragen.
- Gesundheitswesen: Die Überversorgung im Gesundheitswesen wird reduziert.
b) Veräusserung von Beteiligungen
- Kantonsspitäler: Die Mehrfachrolle des Kantons (Eigentümer, Planer und Leistungsbesteller, Regulator und Tarifgenehmiger, Finanzierer) wird durch Veräusserung der Aktien entflechtet.
- Aargauische Kantonalbank: Die Rechtsform wird in eine Aktiengesellschaft geändert; die Aktien («Volksaktien») werden etappenweise verkauft. Die Staatsgarantie wird abgeschafft.
Die Erlöse aus den Verkäufen sowie die Erträge aus dem Finanzvermögen fliessen primär in die Sonderfinanzierung zum Abbau der Schulden und danach in langfristige Investitionen mit hoher Wertschöpfung.
Handlungsfeld 2: Erhöhung der Effizienz
a) Optimierung von Prozessen
- Spital- und Heimwesen: Kostentreibende Standards (z.B. Brandschutz, Arbeitszeiten, Qualitätsreportings, Statistiken, Richtstellenplan) werden konsequent auf das Nutzen-Kosten-Verhältnis überprüft und reduziert.
- Pflegefinanzierung: Unter der Prämisse «ambulant mit stationär» werden wettbewerbliche Massnahmen verstärkt und Fehlanreize abgebaut (z.B. fiskalische Äquivalenz verbessern, freier Marktzugang für alle Leistungserbringer, unterschiedliche Restfinanzierung). Personen mit tiefem Pflegebedarf gehören nicht in Pflegeheime.
- Kindes- und Erwachsenenschutzrecht: Durch vermehrte Einzelrichterkompetenzen mit der Möglichkeit des Weiterzugs an das Gesamtgericht werden einfachere Verfahren eingeführt.
- Hochschulen: Der Mitteleinsatz an die Hochschulen und die Fachhochschulen ist laufend zu überprüfen und kritisch zu hinterfragen.
- Sonderschulen: Die integrative Schulung darf nicht weiter zu einer Erhöhung der Zuweisung von Schülerinnen und Schüler in Sonderschulen führen. Fehlentwicklungen werden korrigiert.
- Heime und Werkstätten: Fehlanreize in der Finanzierung von Heimen, die dem Betreuungsgesetz unterstellt sind, werden abgebaut.
- Maturität: Die Schuldauer bis zum Erlangen der Maturität wird um ein Jahr verkürzt.
- Bau: Das Baubewilligungswesen wird vereinfacht, damit Bauvorhaben rascher realisiert werden können.
- Hightech Zentrum Aargau: Der Betrieb unterstützt die KMU effizient, wirksam und praxisnah.
- Digitalisierung: Die Rahmenbedingungen sind so zu setzen, dass Bevölkerung, Wirtschaft und Verwaltung die Chancen der Digitalisierung nutzen können. Der Gang zur Behörde muss die Ausnahme sein. Gesetzliche Regelungen, die Kontakt am Schalter bedingen, werden angepasst.
- Automatisierung: Der Kanton Aargau erkennt die Chancen der Zukunftsbranchen. Als Vorreiter schafft er wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen und verzichtet dabei auf Technologieverbote.
b) Organisatorische Vereinfachungen
- Kantonale Verwaltung: Die Departemente werden hinsichtlich organisatorischer Vereinfachungen untersucht (z.B. Strukturen in Personalabteilungen, Kommunikationsabteilungen, Controlling- und Finanzen, Generalsekretariat Aargauer Gerichte).
- Führungsstrukturen: Es wird überprüft, inwieweit die Führungsstrukturen in der Verwaltung noch den aktuellen Gegebenheiten entsprechen, oder ob eine Reduktion von Führungsebenen möglich ist. Dies umfasst auch die Polizei.
- Gebietsreform: Aufgaben, die in grösseren Einheiten effizienter erledigt werden können, werden zusammengeführt. In diesem Kontext wird die Anzahl Grundbuchämter, Staatsanwaltschaften, Bezirksgerichte, Konkursämter und SVA-Zweigstellen überprüft.
- Bildung: Die Schulstandorte (Volksschule und Sek-II-Stufe) wie auch die Ressourcenzuteilung werden optimiert.
- Spitalfinanzierung: Die Spitalliste 2019 ermöglicht für einzelne spezialisierte Leistungen eine überregionale und überkantonale Koordination sowie eine Entflechtung der Grundversorgung.
c) Optimierung Liegenschaftsportfolio
- Kapazitäten: Die kantonale Verwaltung hat in den letzten Jahren Personal abgebaut. Als Folge wird überprüft, ob im Liegenschaftsportfolio Überkapazitäten bestehen. Vor-aussetzung dafür ist die Definition von einheitlichen Raumstandards (z.B. m2 pro Arbeitsplatz) und deren konsequente Umsetzung.
- Arbeitsplatzmodelle: Zur Reduktion von Büroflächen werden alternative Arbeitsplatzmodelle eingeführt und die elektronischen Mittel ausgebaut.
- Verkauf: Nicht benötigte Liegenschaften werden nach einer Konzentration von Büroflächen konsequent verkauft oder mindestens vermietet.
- Reduktion Baukosten: Bei kantonalen Bauprojekten werden Luxuslösungen vermieden.
- Langfristige Investitionsplanung: Bei Hochbauten werden Investitionen langfristig geplant und alternative Finanzierungsmodelle geprüft.
Handlungsfeld 3: Anpassung des Bundesrechts
a) Gesundheitswesen
- Finanzierung und Tarifierung: Ambulante und stationäre Leistungen werden einheitlich finanziert, um Fehlanreize zu reduzieren.
- Notfallpauschale: Einführung einer Notfallpauschale, die mit der Anrechnung an den Selbstbehalt verknüpft ist.
- Selbstbehalt: Bei der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) wird der Selbstbehalt erhöht.
- Leistungskatalog: Der Leistungskatalog wird unter konsequenter Anwendung der WZW-Kriterien (Wirksamkeit, Zweckmässigkeit, Wirtschaftlichkeit) gestrafft.
b) Asylrecht
- Übernahme der ungedeckten Kosten: Der Bund übernimmt die kostendeckende Finanzierung aller Personen aus dem Asylbereich während mindestens 10 Jahren.
- Erhöhung der Integrationspauschale: Wer bleibt, wird so schnell wie möglich integriert und dem Arbeitsmarkt zugeführt.
c) Strafrecht
- Straffung der Verfahren: Die Teilnahmerechte von Beschuldigten sind zu revidieren.
- Entlastung der Verfahren: Wo keine Wirkung, sondern bloss Aufwand erzielt wird, werden Strafrechtstatbestände durch verwaltungsrechtliche Sanktionen entlastet.
d) Pflegefinanzierung
- Pflegesparkonto: Die Einführung eines obligatorischen, steuerbefreiten und vererbbaren Pflegesparkontos wird angestrebt.
e) Subventionen
- Energieförderprogramm: Energieeffizientes Bauen wird durch steuerliche Anreize gefördert. Verbundaufgaben bei Energieförderprogrammen mit dem Bund werden beendet.
- Landwirtschaft: Subventionen an die Landwirtschaft werden gekürzt.
- Anstossfinanzierungen: Das System von Bundesbeiträgen, die dauerhafte Kantonsbeiträge auslösen, wird abgeschafft.
f) Steuerattraktivität
- Unternehmenssteuerreform: Der Kanton Aargau setzt sich für die zügige Erarbeitung einer neuen Vorlage ein. Die verfassungsmässig garantierte Tarifautonomie der Kantone wird nicht angetastet und die Dividendenbesteuerung bleibt weiterhin Sache der Kantone.
Die freisinnige Fraktion ist überzeugt, mit diesen Leitlinien und Handlungsfeldern einen massgeblichen Beitrag zur Sanierung des Aargauer Kantonshaushalts leisten zu können.