Die Sicherheitspolitik hat an Konturen gewonnen

Der Ausbruch des Ukrainekriegs bestätigte weitgehend die Bedrohungslage, wie sie der Bundesrat schon ein Jahr zuvor im Sicherheitspolitischen Bericht skizzierte. Aber welche Schlüsse werden aus den realen Erkenntnissen für unsere Armee, den Zivilschutz und die internationale Zusammenarbeit gezogen? Das erläuterte die Nationalrätin und profilierte freisinnige Sicherheitspolitikerin Maja Riniker, Suhr, den Aargauer FDP Seniorinnen und Senioren im Aarauer «Schützen».

Maja Riniker, 44-jährig, verheiratet und Mutter von drei Kindern, schaffte vor drei Jahren den Sprung vom Grossen Rat in den Nationalrat. Die FDP-Fraktion delegierte sie in die Sicherheitspolitische Kommission, wo sie quasi in die Fusstapfen der zurückgetretenen Aargauer Nationalrätin Corina Eichenberger trat. Wie ihre Vorgängerin, erwarb sie im Parlament in Kürze die Reputation einer profunden Sicherheitspolitikerin; vor zwei Jahren übernahm sie auch das Präsidium des Schweizerischen Zivilschutzverbandes.

Den fünfzig versammelten FDP Seniorinnen und Senioren gab Maja Riniker zunächst einen konzisen, humorvoll-offenen Einblick in ihre Aufgaben, mit der Sessions- und Kommissionsarbeit im Mittelpunkt sowie den Begleiterscheinungen des öffentlichen Wirkens, zum Beispiel dem Umgang mit Medien, der Vernetzung, aber auch der Konfrontation bis zu persönlicher Anfeindung, wie Mails aus Social-media-Quellen zeigten.

Genaue Beobachtung des Kriegsgeschehens

Den Hauptteil ihrer Ausführungen widmete die Referentin den Auswirkungen des Ukrainekrieges auf die schweizerische Sicherheitspolitik. Dabei konnte sie auf persönliche Erfolge hinweisen: Sie vertrat mit Ständerat und FDP Schweiz-Präsident Thierry Burkart früh, an vorderster Front und erfolgreich die Erhöhung des Armeebudgets. Vor 30 Jahren lagen die Armeeausgaben um 170 Franken pro Kopf höher als heute, sie entsprachen damals 15,7 Prozent statt nur 6 Prozent der jetzigen Gesamtausgaben. Aber ab 2024 sollen sie gemäss Parlamentsbeschluss jährlich schrittweise steigen. Mit dem Kauf des besten Kampfflugzeuges F 35 und der Beschaffung moderner Panzerabwehr-Lenkwaffen verstärke die Armee ihre Kampfkraft, sagte Maja Riniker. Weitere Lücken würden evaluiert und nach Prioritäten behoben.

Die Schweiz verfolge die russische und ukrainische Kriegführung genau, vor allem Kampfhandlungen im urbanen Raum mit dem herausfordernden Schutz der Zivilbevölkerung. Es gelte sich gegen alle Möglichkeiten der hybriden Kriegsführung – der Mischform von offenen und verdeckt zur Anwendung gebrachten regulären und irregulären, symmetrischen und asymmetrischen, militärischen und nicht-militärischen Konfliktmitteln – zu wappnen. Dazu gehöre nicht zuletzt die Abwehr von Cyberangriffen, die jetzt in der Armee verstärkt werde.

Maja Riniker sprach sich auch grundsätzlich für die Stärkung der internationalen Kooperationen aus. Ein Nato-Beitritt stehe ausserfrage, aber eine verbesserte Interoperabilität wäre wichtig. Natürlich müssten dafür zuerst die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, erklärte die Referentin –und sie mache sich keine Illusionen, dass der Widerstand dagegen programmiert sei; doch gelte es, nach mehrheitsfähigen Lösungen zu suchen.  

Genug Schutzplätze, zu wenig Personal

Verständlicherweise warf die Verbandspräsidentin auch einen Blick auf den Zivilschutz, der auf neuere Herausforderungen justiert werden müsse. «Wir sind gut in der Bewältigung von Naturereignissen», bilanzierte Maja Riniker. Jetzt rückten Pandemie- und Energiekrisen ins Blickfeld, aber auch die Unterbringung und Betreuung von Migranten oder eben das Kriegsgeschehen mit all seinen Auswirkungen. Die Zahl der vorhandenen Schutzplätze sei hoch genug und nicht das Problem, sondern vielmehr deren Verfügbarkeit, beziehungsweise die nötige Instandstellung. Die Information der Bevölkerung müsse verbessert werden.

Sorgen bereitet der Zivilschutzchefin das Rekrutierungsproblem. Es fehlen 3’500 Zivilschutzleistende im Jahr. Katastrophendienst und Zivildienst müssten zusammengelegt werden. Sowieso stehe eine Dienstmodell-Diskussion an – beispielsweise mit einem allgemeinen Bürgerdienst oder, allenfalls einem Militärdienst-Obligatorium für Frauen, den sie allerdings nicht zielführend fände, sagte Maja Riniker. Ihren aktuellen sicherheitspolitischen Überblick, der von Ursula Brun Klemm, der Leiterin der FDP-Seniorengruppe, herzlich verdankt wurde, beschloss eine Fragerunde, in der ein Teilnehmer meinte: «Brauchte es wirklich einen Krieg, um auf die Welt zu kommen?»

 

Hans-Peter Widmer, ehemaliger Redaktor und Grossrat, Hausen